Brand in Brown Station

Brand in Brown Station

Die Antarktis: Der weiße Kontinent. Ein ganzer Kontinent voller Wasser. Gefrorenem Wasser, wohlgemerkt: Bis auf die Nunataks und die küstennahen Gebiete ist die gesamte Antarktis von Schnee und Eis bedeckt.

Gefährlich ist sie auch: Katabatische Winde, plötzliche Wetterumschwünge, tiefe Gletscherspalten, kalbende und kippende Eisberge, Schneeblindheit und Whiteouts gefährden Leib und Leben der waghalsigen Abenteurer, die sich in die unendlich weite Eiswüste vorwagen. Ein Feuer stellt in der Antarktis eine besondere Gefahr dar: Denn obwohl der ganze Kontinent mit Wasser bedeckt ist, ist das Löschen eines Feuers so gut wie unmöglich – schon mal versucht, mit Schnee oder Eis ein Feuer zu löschen?

Die Luft in der Antarktis ist mit die trockenste der Welt, denn sie ist sehr kalt und kann deshalb kaum Feuchtigkeit aufnehmen. Fast immer weht ein starker, oft böiger Wind, der ein Feuer kräftig anfacht. Und selbst, wenn ein Feuer in unmittelbarer Nähe des Ozeans ausbricht, wo es theoretisch reichlich Wasser in flüssigem Aggregatzustand gibt, besteht in der Regel keine Möglichkeit, das Meerwasser in ausreichender Menge und Geschwindigkeit zur Brandstelle zu schaffen, um einen Brand damit zu löschen.

Eine weitere unterschätzte Gefahr der Antarktis ist die Polarnacht: Die langen Wintermonate, in denen die Sonne es kaum oder gar nicht über den Horizont schafft und der Kontinent in trübe Dunkelheit getaucht ist. Für die Menschen, die in der Antarktis überwintern, ist der Vitamin-D-Mangel nicht einmal das größte Problem. Viel schlimmer sind der Budenkoller und die Depression.

So erging es zum Beispiel dem auf der argentinischen Forschungsstation Almirante Brown stationierten Arzt, dessen Namen mir das Internet trotz intensiver Recherche nicht verraten wollte. Er war zwei ganze Jahre lang dort stationiert gewesen und hatte bereits zwei dieser langen, dunklen Winter hinter sich gebracht. Sein letzter Winter war der berüchtigte Winter von 1983 gewesen, in dem die russische Vostok-Forschungsstation die tiefste jemals gemessene Lufttemperatur von -89,6°C ermittelt hatte.

Dem Arzt wurde mitgeteilt, dass seine Ablöse nicht käme und er einen dritten Winter an der Forschungsstation verbringen müsse, gemeinsam mit sechs weiteren argentinischen Forschern. Diese Aussicht erschien ihm derart unattraktiv, dass er ganz bewusst abwartete, bis das letzte Schiff in die Gegend kam, um Personal von anderen Forschungsstationen zum Ende des Sommers abzuholen: Die US-amerikanische USS Hero war am 12. April 1984 zur amerikanischen Palmer-Station auf Anvers Island unterwegs. Der bleibe-unwillige Doktor schritt beherzt zur Tat: Er zündete die Brown Station kurzerhand an, und sie brannte nieder. Die sieben dort stationierten Männer suchten in einer etwa 200 Meter entfernten Schutzhütte Zuflucht und harrten dort aus, bis die Hero sie abholen kam; sechs von ihnen blieben dabei völlig unverletzt, einer trug leichte Brandwunden und eine leichte Rauchvergiftung davon. Der Brandstifter hatte sich den perfekten Zeitpunkt ausgesucht: Vor dem nächsten Sommer konnte kein Schiff mehr Material oder Menschen an den Standort bringen, denn die See ist im Winter unpassierbar. In der malerischen Bucht von Paradise Harbour qualmten die Überreste der Forschungsstation vor sich hin, und unserem Doktor blieb ein dritter Winter in der unwirtlichen Einöde erspart.

Die Berichte darüber, was nach seiner Heimkehr mit dem Arzt geschah, gehen auseinander. Die einen erzählen sich, er sei wegen Brandstifterei ins Gefängnis gewandert, andere Stellen berichten, er sei nie angeklagt worden. In jedem Falle, jedoch, wurde die Station wieder aufgebaut und fortan nur noch im Sommer besetzt.

Eine Antwort

  1. Mum sagt:

    Thank you, dear Silvia. You are learning so many fascinating things on your journey, and it’s wonderful to be able to share some of the experience from back here!

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