Herr S. aus F.

Auf einem Schiff begegnet man täglich neuen Menschen. Zwar ist unser Schiff im Vergleich zu den Kreuzfahrtriesen mit tausenden von Gästen nicht groß, doch auch auf einem kleinen Expeditionsschiff wie unserem wechseln alle zwei Wochen die Gäste – und just, wenn man sich die Gesichter der Gäste gemerkt hat, reisen sie ab und es kommen neue. Dennoch gibt es immer Begegnungen, die in Erinnerung bleiben: An Gäste, die besonders witzig waren, eine besonders schöne Stimme hatten, oder eine besonders schöne Mütze. (Die Dame mit der Krümelmonster-Mütze: Genau, ich meine Sie!). Oder auch an Gäste, die Unmögliches von uns erwartet haben (nein, wir haben leider keinen Einfluss auf das Wetter oder die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten).

Von dieser Reise wird mir sicherlich Herr S. aus F. besonders in Erinnerung bleiben. Ein charmanter Herr, ein paar Jahre älter als ich, mit Augen, die schelmisch blitzen, wenn man sich mit ihm unterhält und einer wunderbar ruhigen, zugewandten Art. Herr S. besitzt kein Smartphone. Und auch keinen Computer. Nicht mal eine E-Mail-Adresse. Verrückt! Trotzdem kommt Herr S. prima durchs Leben: Er hat seine Reise nicht über die Website, sondern ganz oldschool über ein Reisebüro gebucht. Statt unsere App zu nutzen, kommt er persönlich zu uns an den Schalter und wir buchen seine Ausflüge einfach für ihn direkt ins System ein. Und Dank der Hilfe der freundlichen Frau H. aus seinem Reisebüro sind sogar die lästigen Formalitäten für die kanadischen Behörden – die nur per Smartphone-App erledigt werden können – mit ein paar netten Zeilen und ein paar Klicks für ihn erledigt. Man kommt auch ohne Smartphone wunderbar durch’s Leben, besonders, wenn man so freundlich und offen auf die Menschen zugeht wie Herr S.

Als ich heute Abend vom Oberdeck kam, liefen Herr S. und ich uns über den Weg, und er bedankte sich bei mir für meine Unterstützung. Wir blieben noch einen Moment gemeinsam an der Reling stehen, bestaunten den wie immer spektakulären Sonnenuntergang und unterhielten uns über Menschen, die uns wichtig sind.

Die Begegnung mit Herrn S. wird mir sicher immer in Erinnerung bleiben, und ich hoffe, dass Herr S., wenn unsere Reise übermorgen zu Ende ist, gut und sicher heim kommt und viel Freude an dem neuen Tablet haben wird, mit dem Frau H. aus seinem Reisebüro ihn ins 21. Jahrhundert zu zerren gedenkt. Seinen Behördenkram würde ich dennoch jederzeit wieder für ihn erledigen, selbst wenn er das mit dem neuen Tablet theoretisch selber könnte.