Die schöne Antje

Die schöne Antje

Antje war in meiner Jugend eine Berühmtheit. Sie war überaus beliebt, nie wurde auch nur eine einzige hämische Schlagzeile über sie gedruckt – und jeder fand sie wundervoll, trotz ihres üppigen Damenbarts und einer für einen Filmstar ungewöhnlich fülligen Figur. Antje war nämlich ein Walross. 1978 wurde sie fürs Fernsehen entdeckt: Im Tierpark Hagenbeck entstanden Filmaufnahmen als Pausenfüller für den (werbefreien) norddeutschen Fernsehsender NDR, und schnell avancierte die rundliche Dame zum Publikumsliebling.

Außer im Tierpark gibt es Walrösser in unseren Breitengraden nur äußerst selten zu sehen: Die meisten dieser großen Robben leben im und rund um das Nordpolarmeer. Den Großteil ihres Lebens verbringen sie im Wasser und auf großen Treibeisschollen, wo sie sich in Grüppchen ausruhen. Sie haben extrem dicke Haut, die sie vor der Kälte schützt und am ganzen Körper Falten schlägt, und sowohl die Männchen als auch die Weibchen haben einen „Bart“ und lange Stoßzähne, mit deren Hilfe die Tiere sich auf Eisschollen hieven. Menschen gegenüber sind die großen Tiere meist eher gleichgültig, solange man genügend Abstand von ihnen hält. Umgekehrt kann man das nicht behaupten: Als wir das erste Walross sichten, sind alle ganz aus dem Häuschen. Aufgeregt wird die Sichtung über das Durchsagensystem angekündigt, und reihenweise Gäste und Team-Mitglieder spurten, mit Kameras mit riesigen Teleobjektiven bewaffnet, auf das Beobachtungsdeck, um einen Blick auf die faszinierenden Meeressäuger zu erhaschen.

Das Schiff gleitet durchs Meereis, und nach dem ersten Walross tauchen immer wieder kleinere und größere Grüppchen auf den großen Schollen auf. Mein Herz schlägt ein bisschen höher, als ich durch mein Fernglas eine Gruppe in Augenschein nehme. Wunderschön sind sie, trotz Damenbart und Winterspeck – genau wie ihre berühmte Verwandtschaft!

Die Fotos (mit Ausnahme des Titelbilds) sind übrigens, sind nicht von mir. Ich war viel zu aufgeregt, um an Bilder zu denken – und habe außerdem kein Teleobjektiv. Mein Dank geht daher an meine liebe Kollegin Milena, die mir ihre Bilder gegeben hat.

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