Der Sprung ins kalte Wasser
Es ist ein paar Jahre her, dass ich diesen kleinen Text schrieb, aber aus gegebenem Anlass ist er wieder genauso aktuell wie vor zehn Jahren. Denn heute habe ich ihn mal wieder gewagt, den Sprung ins kalte Wasser: Nächste Woche werde ich mich das erste Mal als Stadtführerin in meiner heiß und fettig geliebten Wahlheimat versuchen! Ob ich mich dafür bereit fühle? Himmel. Nein. Aber so lange, bis ich mich endlich „bereit“ fühle, wartet das Leben nun mal nicht auf mich.
„Bereit?“, frage ich.
„Bereit??“, lacht sie. „Wann ist man denn jemals für irgendwas bereit?“ – und springt.
Recht hat sie. Für was war ich schon bereit in meinem Leben?
Am ersten Schultag, als ich mich heulend im Bad einschloss, weil ich Angst hatte, dass keiner neben mir sitzen mag, da fühlte ich mich ganz sicher nicht bereit für die Schule.
Als ich in diesem schrecklichen Job festsaß und mich nicht traute ihn zu kündigen, war ich ganz sicher nicht bereit, mich selbstständig zu machen.
Als auch der dritte Test aus der Apotheke mir sagte, dass ich dann jetzt wohl schwanger sei, da war ich alles Mögliche. Verwirrt, entsetzt, in Panik. Aber ‚bereit‘ war ich nicht.
Als ich T. kennenlernte, schickte ich unserem ersten Date beide noch voran, dass ich mich aber für eine feste Beziehung nicht bereit fühlte.
Man ist nie bereit für die großen Dinge im Leben, den alles verändernden Einschnitt. Wer wartet, bis er „bereit“ ist, verpasst die Chancen auf das große und das eigentlich viel größere, das kleine, geteilte Glück. Hätte ich gewartet, bis der Zeitpunkt zum Kinderkriegen richtig ist, wäre ich heute nicht die stolze Mutter meines absoluten Lieblingskinds auf der ganzen Welt. Hätte ich gewartet, bis ich bereit bin, würde ich heute nicht in meinem Traumjob arbeiten. Hätte ich gewartet, bis ich bereit bin, durch das Schultor zu laufen, könnte ich heute vermutlich weder Lesen noch Schreiben noch wäre ich anständig sozialisiert. Mal ganz davon zu schweigen, dass ich mich nie so Hals über Kopf in T. verliebt und nie erfahren hätte, dass man als Paar mehr ist als die Summe seiner Einzelteile.
Man ist nie bereit. Man muss sich einfach ein Herz fassen, all seinen Mut zusammen nehmen, die Angst in ihre Schranken weisen. Die Augen aufhalten, damit man eine Chance auch erkennen kann, und sie beherzt ergreifen. Wer wartet, bis er bereit ist, an dem zieht das Leben mit all seinen Chancen und Möglichkeiten einfach vorbei.
Also fasse ich mir ein Herz und springe hinterher.
Eine Antwort
Kann erst kommentieren, wenn ich die Tränen weggewischt habe! Hast Du irgendwo eine Textversion meiner Lebensgeschichte geklaut?